ö.b.u.v. Sachverständiger für Gerichts- und Privatgutachten -
MSR- und Leittechnik in der Gebäudeautomation
Flexible Raumgestaltung und Raumnutzung sowie Wirtschaftlichkeit sind die vorrangigen Anforderungen an die Technische Ausrüstung in multifunktionalen Gebäuden für Office-Nutzungen. Die Gebäudeautomation regelt und steuert alle technischen Anlagen, schafft Voraussetzungen für flexible Raumkonzepte mit hohen ergonomischen und gestalterischen Ansprüchen.
Am Beispiel des Multifunktions-Hochhauses Eurotheum in Frankfurt am Main mit hochwertigen Apartments, Büro-, Händler- und Verkaufsflächen werden Lösungen dazu erläutert. Neben den MSR-Funktionen aller Gewerke der Technischen Ausrüstung sind die Entrauchung, die Raumautomation, die Beleuchtungsregelung und -steuerung, Sonnenschutz und weitere Features in die Automation beim Eurotheum eingebunden. Das Gebäude wurde nutzungsgerecht für den Einzug der Europäischen Zentralbank ausgebaut.
Eine weitgehende Ausnutzung der ständig wachsenden Möglichkeiten der effektiven Bewirtschaftung von Immobilien unter Berücksichtigung der Bau- und Betriebskosten ist das vorrangige Ziel einer Planungsaufgabe.
Um so wichtiger ist die konsequente Verfolgung dieses Zieles in der Gebäude-automation (GA), wenn besondere Anforderungen an Qualität und ein hohes Maß an Flexibilität die anspruchsvolle Aufgabe ergänzen. Am Beispiel des Neubaus "Eurotheum", eines Viel-Zweck-Hoch-Hauses in Frankfurt am Main, wird dieser Grundsatz in folgender Veröffentlichung erläutert.
Technische Leitung
Canzler GmbH GmbH (Berlin, Dresden, Frankfurt / Main, Mülheim)
Bild 1: Bürohochhaus Eurotheum
Bauherr: Commerz Grundbesitz Investment- gesellschaft mbH, Wiesbaden
Generalübernehmer: Köllmann AG, Wiesbaden
Hauptnutzer: Europäische Zentralbank
Weitere Mieter: Inn Side Hotel, Schüler Presinger GmbH, ...
Das Gebäude besteht aus 3 Teilen:
Unter dem Gesamtkomplex befinden sich 3 Untergeschosse mit Garagen, Technik- und Lagerflächen.
Eine Besonderheit des Gebäudes stellt der aussenliegende, mit 6 Fahrkabinen ausgerüstete Aufzugsturm als Stahl- und Glaskonstruktion dar.
Bild 2: Grundriß Eurotheum
Die vielseitige Nutzung des Eurotheum sieht vollklimatisierte Büroflächen im 1. bis 21. Obergeschoß des Hochhauses und dem Flachbau vor. In jedem Geschoß des Hochhauses sind Mietbereiche mit einer Fläche von ca. 800 m2 mit einem Achsenraster von 1,35 Meter vorgesehen. Im 22. Obergeschoss, der Eurolounge, befinden sich Konferenzräume und die gastronomische Versorgung der darüberliegenden sieben Wohngeschosse. Alle 74 Wohnungen mit höchstem Komfort haben eine hervorragende Sicht über die Finanzmetropole. In dem 30. und 31. Obergeschoß ist die Gebäudetechnik untergebracht. Das Erdgeschoß mit der einbezogenen Glashalle stellt eine öffentliche Passage mit Verbindung zum danebenliegenden Main Tower, mit Läden und gastronomischen Einrichtungen dar..
GebäudetechnikDie Architekten von Novotny Mähner & Assoziierte haben eine vielseitige konzeptionelle Lösung für das Hochhaus erarbeitet. Das mit dem Immobilien Award'99 ausgezeichnete Gebäude ist ein Beispiel für die Flexibilität der Flächennutzung unter Beibehaltung höchster Komfortbedingungen. Ein variables Flächenkonzept mit "hartem Kern" (Treppenhäuser, Technik, Feuerwehraufzug, Flurbereich) und anschliessendem "weichen Kern" mit Sanitär- und Nebenräumen erlaubt es, alle aussenliegenden Flächen des Gebäudes der flexiblen Gestaltung der Mieterwünsche (Zellen-, Gruppenbüros sowie Kombi- und Großraumbüros sind möglich) zur Verfügung zu stellen.
Bild 3: Büroeingangsbereich
Dementsprechend gab es hohe Anforderungen bei der Umsetzung interessanter technischer Konzepte im Bereich der Technischen Ausrüstung. Insbesondere ist in diesem Projekt die Realisierung der gesamten Technischen Ausrüstung einschliesslich Entrauchung, Raumautomation inkl. Beleuchtungsregelung und Sonnenschutz mit einem Automationskonzept hervorzuheben.
Die 64 Anlagen der Raumlufttechnik stellen einen Verbund der Luftführung dar, in dem zum Beispiel die Abluft der Büro- und Wohngeschosse für die Luftversorgung der Garagen- und Lagerräume in den Untergeschossen sowie nach entsprechender Wiederaufbereitung für die Temperierung des Aufzugsturmes verwendet wird.
Die Verteilung der Wärme über einen Fernwärmeanschluß und vier Wärmeübertrager erfolgt im 1. UG bis in das 16. Obergeschoss bzw. im 31. OG in die Geschosse 17 bis 31. Zwei Kältemaschinen im 31. OG mit Nutzung Freier Kühlung sorgen für die Temperatur- und Feuchteverhältnisse im Gebäude. Die Flexibilität der Raumgestaltung für die Heizungs- und Lüftungsführung in den Geschossen wird durch das sogenannte "Geweih" (siehe Bild 5) realisiert, das nur ein Umstecken der Leitungen und Kanäle bei geänderter Trennwandanordnung erfordert.
Folgende Eckdaten der Technischen Ausrüstung sind im Eurotheum realisiert:
GebäudeautomationIn multifunktionalen Gebäuden setzen die unterschiedlichsten Anforderungen an Flexibilität, Transparenz und Sicherheit der Technik einen hohen Grad an Gebäudeautomation voraus. Dadurch kann auch eine Reduzierung der Zeit- und Materialaufwendungen im Gebäudebetrieb, die Schaffung nutzungsgerechter Arbeitsplatzbedingungen sowie eine erhebliche Energieeinsparung erreicht werden.
Bild 4: Übersicht der Luftversorgung im Hochhaus
Bild 5: Flexible Luftführung im Büro- und Konferenzbereich
In Vordergrund des Mieterausbaus im Eurotheum stellte die Europäische Zentralbank als Hauptmieter die Raumflexibilität und die Möglichkeit einer variablen und umfassenden Bedienung des gesamten Betreiberprozesses. Das Konzept sieht die dezentrale digitale Erfassung aller Informationen am beliebigen Ort des Gebäudes über einen einheitlichen Feldbus vor. Damit ist die Unabhängigkeit bei freier Gestaltung der Raumflächen und zusätzliche Aufschaltung von Aktoren / Sensoren ohne wesentlichen Verkabelungsaufwand beim Aus-/Umbau der Mietbereiche gegeben. Bei der Versetzung der Trennwände erfolgt für die Steuerung der Beleuchtung und Regelung der Raumklimatisierung lediglich eine neue Zuordnung der Achsen auf dem Bildschirm der Managementebene. Die Informationen aller im Gebäude angeordneten thermischen Brandschutzklappen, Luftabsperrklappen, Meldungen und Schaltbefehle der Aussen-, Hallen- und Flurbeleuchtung, der Betrieb von Sprinkler-, Sanitär- und Überwachungsanlagen werden in 41 Informationsschwerpunkten zusammengefaßt und an drei GA-Zentralen im 2.UG, 7.OG und im 31.OG weitergeleitet. Insgesamt werden im Projekt etwa 26 500 physikalische Informationen verarbeitet.
Die Ausführung der Gebäudeautomation aller Gewerke, einschl. Raumautoma-tion und Entrauchungskonzept, mit Modulen gleichen Bussystems (im Eurotheum ist Interbus-S realisiert) ermöglicht die einfache Nutzung übergreifender Funktionalitäten im Gebäude. Schnittstellen zwischen den einzelnen Systemen (Gefahrenmanagement, Energieleitsystem, Gebäudeautomation) sorgen für Bereitstellung von wichtigen Informationen auch direkt an die Überwachungsdienste des Mieters.
Bild 6: Raumautomation im Neubau, Raumbediengerät und DDC-Modulkasten (kleine Fotos) über der abgehängten Kühldecke
Das dezentrale Konzept der Gebäudeautomation wurde in der Raumautomation, die den größten Informationsumfang im Gebäude darstellt, fortgeführt. Als zusätzliche Bedingungen für die Gestaltung der Einzelraumregelung des Gebäudes waren die variable Raumgröße entsprechend dem Achsenraster und die daraus resultierende Freiheit der Trennwände von der Verkabelung, mit Ausnahme des Türbereiches, zu erfüllen. Weiterhin war die Luftverteilung in den Räumen - aufbereitete Zuluft wird in den Innenbereich eingeblasen und die Abluft im Aussenwandbereich abgeführt - zu berücksichtigen.
Insgesamt 430 Raumregelkreise sind im Gebäudekomplex installiert worden. Für jede Achse sind in der Zwischendecke der Büros und Konferenzräume DDC-Modulkästen eingebaut. Bei einer Installationshöhe von nur 18 Zentimeter über der Kühldecke war eine genaue Koordination der Zu- und Abluftkanäle, der Sprinklerrohre, der Beleuchtungstrassen, der Kühldeckenleitungen einschliesslich Dämmungen und Brandschots und schließlich der Gebäudeautomation eine ernst zu nehmende Aufgabe.
In allen Räumen stehen den Nutzern folgende Funktionen zur Verfügung:
Das Raumbediengerät ist mit
In den Großraumbüros des Flachbaus werden als Raumbediengeräte Touchpanels eingesetzt. Mit Touch-Screen erfolgt auch die Bedienung beim Doorman im 22.OG - Steuerung der Lichtszenen im Gastronomieteil, Bedienung und Überwachung der Wohngeschosse.
MSR-Konzept der EntrauchungDie Überwachung und Ansteuerung von Brandschutz- und Entrauchungs-klappen, die Verriegelung dieser mit den Rauchfreihaltungs- und Entrauchungsanlagen ist im Eurotheum mit dem gleichen Automationssystem ausgeführt, das auch für die gesamte Gebäudeautomation des Objektes zuständig ist.
In einem separaten redundanten und damit ausfallsicheren Automationsring sind I/O-DDC-Module, das Feuerwehrtableau und zwei Automationsstationen eingebunden. Bei Leitungsunterbrechung bleiben alle Funktionen des Systems aktiv. Ein Ausfall von einzelnen Hardwarekomponenten beeinträchtigt die Gesamtfunktionalität nicht. Eine ständige Überwachung, auch des redundanten Busteils, wird vom Gebäudemanagementsystem garantiert. Eine Kopplung mit der Brandmeldezentrale erlaubt es, alle erforderlichen Informationen auszutauschen. Das Entrauchungstableau der Raumlufttechnik bildet mit dem Brandmeldetableau und der Aufzugsanlagenübersicht eine Einheit. Diese Bedienfelder erlauben der Feuerwehr den sofortigen Eingriff in die sicherheitsrelevanten Anlagen bei Havariefällen.
Bild 7: Übersicht der Informationsschwerpunkte und des Netzwerkes der Gebäudeautomatio
Die Managementebene der Gebäudeautomation ist mit Bedienstationen an mehreren Stellen (Raum des Facility-Managements - 1.OG, Back-Office-Raum - EG, GA-Zentrale - 31.OG) fester Bestandteil des operativen Gebäudemanagements.
Das durch den Errichter der Gebäudeautomation, Firma Herrmann GmbH, aufgebaute Netzwerk in Server-Client-Architektur sieht eine LWL-Verbindung zwischen den Fast-Ethernet-Switches (10/100Mbit/s) der GA-Zentralen vor. Das Netzwerk zu den jeweiligen Automationsstationen ist mit Twisted-Pair-Kabel UTP Kat5 installiert. Als Automationsstationen der Gewerke wurden RFC (Remote Field Controller) eingesetzt. Die Raumautomation ist mit Industrie-PC-Karten der Firma Beckhoff ausgestattet. Als Feldbus wird Interbus-S eingesetzt. Die Konfiguration der Software erfolgt mit PC-Works nach IEC 1131.
Im Konzept des Gebäudebetreibens wurde große Aufmerksamkeit der bedienerfreundlichen Gestaltung der Arbeitsprozessabläufe auf der Managementebene geschenkt. Die Übersichts-/Einstiegsgrafiken erlauben eine Verzweigung in unterschiedlichste Bereiche der Gebäudeautomation:
Bei der Planung der Gebäudeautomation im Eurotheum wurde auf einen umfassenden Einsatz der Funktionsverknüpfungen zwischen den Anlagen der Technischen Ausrüstung und auf eine freie Entscheidung des Mieters bei der Raumgestaltung besonderer Wert gelegt. Unter Berücksichtigung der Tendenzen in der Entwicklung der Gebäudeautomation wurden im Projekt eine Reihe von planerischen Lösungen umgesetzt, die ein gesamtheitliches Konzept des Betreibens des Gebäudes unterstützen und durch homogene Strukturen eine bedienerfreundliche Nutzung aller für die Gebäudebewirtschaftung erforderlichen Funktionalitäten ermöglichen.